Bevor Instagram-Filter und TikTok-Trends unseren Alltag bestimmten, gab es in Deutschland ein soziales Netzwerk, das fast jeder Student (und viele Schüler heimlich auch) kannte: StudiVZ. Gegründet 2005 als „Studentenverzeichnis“, war es quasi das deutsche Facebook – nur in Rot und mit einem sehr eigenen Humor.
Das Herzstück war das „Gruscheln“ – eine Mischung aus „grüßen“ und „kuscheln“. Ein Klick, und man konnte jemandem Aufmerksamkeit schenken, ohne gleich eine Nachricht zu schreiben. Ob Flirtversuch, Spaß oder einfach Langeweile – Gruscheln war das universelle Zeichen: Ich hab dich gesehen.
Noch legendärer waren die Gruppen. Nicht zur Organisation von Uni-Seminaren gedacht, sondern als digitale Statussymbole. Gruppen hießen zum Beispiel:
„Bin nur wegen der Gruppen hier“
„Meine Motivation hat heute wieder verschlafen“
„Ich trinke, also bin ich“
„Wenn ich groß bin, werde ich müde“
„Prokrastination ist meine Superkraft“
Je origineller (oder absurder) die Gruppennamen, desto besser. Die eigene Pinnwand wurde so zum Schaufenster für Persönlichkeit, Witz und Ironie. Wer viele coole Gruppen hatte, war automatisch interessanter – selbst wenn das Profilbild noch mit Digitalkamera und Blitz im Spiegel aufgenommen war.
StudiVZ war für viele die erste Social-Media-Erfahrung: Freundeslisten pflegen, Pinnwände vollschreiben, Fotos hochladen (mit 12 Megapixeln noch unvorstellbar) und sich im digitalen Studentenwohnheim austoben.
Doch mit dem Aufstieg von Facebook ab 2008 begann der langsame Absturz. StudiVZ wirkte plötzlich altbacken, obwohl es nur ein paar Jahre alt war. 2022 wurde es endgültig abgeschaltet – aber in der Erinnerung bleibt es das rote Original, in dem eine ganze Generation gelernt hat, wie Social Networking geht.
Und mal ehrlich: Ein kleiner Teil von uns wünscht sich heute das „Gruscheln“ zurück.